Charles-Édouard Jeanneret war 30 Jahre alt, als er sich 1917 endgültig in Paris niederließ und dort weitere Erfahrungen sammelte. Er fungierte zunächst als beratender Architekt bei der auf Stahlbetonbauten spezialisierten Firma SABA (3), in deren Auftrag er insbesondere einen Wasserturm in Podensac bei Bordeaux errichtete (1917). 1918 gründete er die Société d’entreprise industrielle et d’études (SEIE), die hauptsächlich ein Ziegelwerk in der Nähe von Paris betrieb. Diese wenig erfolgreiche Tätigkeit endete 1921 mit der Insolvenz der Firma.
BIOGRAFIE
1918 machte er die folgenreiche Bekanntschaft mit Amédée Ozenfant (1886–1966), der ihn zur Malerei und dem „Purismus“ hinführte. Sie stellten ihre Werke in der Pariser Galerie Thomas aus und verfassten gemeinsam das Manifest Après le cubisme (4), das im selben Jahr veröffentlicht wurde.
Schrittweise entwickelte Le Corbusier aus der Kombination des Konstruktionssystems DOM-INO und den ästhetischen Prinzipien des Purismus eine neue Architektursprache, die erstmals im Atelierhaus Ozenfant (Paris 1922) zum Ausdruck kam. Diese neuen Prinzipien wurden in der Zeitschrift L’Esprit Nouveau vorgestellt, die Le Corbusier 1919 mit dem Dichter Paul Dermée gründete.
„Die Architektur hat nichts mit Stilen zu tun.“
„Die Architektur ist das kluge, genaue und großartige Spiel zusammengesetzter Körper im Licht.“
Le Corbusier, Vers une architecture
Darin unterzeichnete Le Corbusier 1920 zum ersten Mal unter diesem Pseudonym einen Beitrag zur Architektur unter dem Titel Trois rappels à Messieurs les architectes. Diese provokante Veröffentlichung markierte den Auftakt für eine umfangreiche Reihe theoretischer Schriften, die später in seine ersten Bücher aufgenommen wurden: Vers une architecture (1923), Urbanisme (1925) und L’Art Décoratif d’aujourd’hui (1925). (5)
Obwohl bei seiner Ankunft 1916 in Paris noch völlig unbekannt, gewann Le Corbusier in weniger als zehn Jahren internationale Aufmerksamkeit. 1922 gründete er mit seinem Vetter, dem Genfer Architekten Pierre Jeanneret (1896–1967) ein Architekturbüro. Gemeinsam errichteten sie in Paris und der näheren Umgebung eine ganze Reihe von Einfamilien- und Atelierhäusern für Künstler: die Häuser La Roche-Jeanneret (Paris, 1923–1925), Cook (Boulogne-Billancourt, 1926/27) sowie die Villen Stein-de Monzie (Garches, 1926–1928), und Savoye (Poissy, 1928–1931).
Auch außerhalb Frankreichs weitete sich die Bautätigkeit aus mit der Villa Baizeau (Tunis, 1929), dem Haus Guiette (Antwerpen, 1926) und dem Haus für seine Eltern am Ufer des Genfer Sees (Villa Le Lac, 1923–1925). Sowohl Le Corbusier als auch Pierre Jeanneret widmeten sich gleichermaßen dem Entwurf von Arbeiterhäusern und standardisierten Bauweisen. Wie auch andere Architekten der Moderne sahen sie darin eine der größten gesellschaftlichen Herausforderungen.
Sie entwarfen zahlreiche theoretische Projekte wie den Haustyp CITROHAN (1920–1922), in Analogie zur industriellen Produktion als „Wohnmaschine“ entwickelt. Doch blieben die Möglichkeiten zur tatsächlichen Verwirklichung dieses Bautyps begrenzt. Vor allem in Pessac bei Bordeaux konnten in der Siedlung Frugès (1924–1927) rund 50 Häuser realisiert werden. In Stuttgart errichteten sie auf Einladung des Deutschen Werkbunds zwei Häuser im Rahmen der berühmten Weissenhofsiedlung (1927). Im Zusammenhang mit diesen beiden Entwürfen formulierte Le Corbusier zum ersten Mal sein Manifest der Fünf Punkte zu einer neuen Architektur – die Stützen (pilotis), den Dachgarten, das Langfenster, den freien Grundriss und die freie Grundrissgestaltung. Es wurde zu einem Grundlagentext der Moderne.
„Die heutige Architektur beschäftigt sich mit Wohnhäusern, gewöhnlichen und alltäglichen Häusern für normale und alltägliche Menschen. Sie wendet sich ab von den Palästen. Das sind die Zeichen der Zeit.“
Le Corbusier, Vers une architecture
Die Errichtung der Villa Savoye markiert die Blütezeit der puristischen Periode. Sie fiel jedoch zusammen mit einer vom Haus von Mme de Mandrot in Pradet (1929) gekennzeichneten Phase, in der Le Corbusier einen neuen regionalen Bezug herstellte und traditionelle Materialien einsetzte, die unterschiedliche Lichteffekte ermöglichten. In dieser neuen Haltung entstanden das Wochenendhaus Henfel in La Celle-Saint-Cloud (1934), sowie das Ferienhaus Le Sextant in Mathes (1935).
Le Corbusier und Pierre Jeanneret beschränkten sich gedanklich nicht allein auf die Architektur. Im Salon d’Automne stellten sie 1922 nicht nur das Typenhaus CITROHAN vor, so benannt in Würdigung des berühmten Automobilkonstrukteurs Citroën, sondern auch das hochfliegende Projekt einer Stadt für drei Millionen Einwohner, das mit überkommenen städtebaulichen Maximen brach. In der gesamten Zwischenkriegszeit und auch danach entwickelten sie ihre Konzepte zum Städtebau weiter und lösten mit Projekten wie dem Plan Voisin von 1925 polemische Reaktionen aus und riefen heftige Auseinandersetzungen hervor.